Hans-Christof Kraus, Hrsg. Konservative Politiker in Deutschland: Eine Auswahl biographischer PortrÖ¤ts aus zwei Jahrhunderten. Berlin: Duncker & Humblot, 1995. 342 S. DM 98,00 (gebunden), ISBN 978-3-428-08193-6.
Reviewed by Thomas Rohkraemer (Lancaster University)
Published on H-German (March, 1996)
Diese Sammlung von Aufsaetzen umfasst die Biographien von 13 konservativen Politikern der deutschen Geschichte. Sie konzentriert sich auf Personen der zweiten oder sogar "dritten" Reihe: Nicht die zentralen Figuren wie Freiherr vom Stein oder Bismarck werden behandelt, sondern Friedrich Ernst Ludwig von Gerlach (1795-1877), Joseph Maria von Radowitz (1797-1853), Friedrich Julius Stahl (1803-1868), Adolf Heinrich v. Arnim Boitzenburg (1803-1868), Otto Freiherr von Manteuffel (1805-1882), Hans Hugo v. Kleist-Retzow (1814-1892), Hermann Wagener (1815-1889), Otto von Helldorff-Bedra (1833-1908), Adolf Stoecker (1835-1909), Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945), Ewald von Kleist Schmenzin (1890-1945), Hermann Ehlers (1904-1954) und Hans-Joachim von Merkatz (1905-1982).
Die Ankuendigung, Konservative aus zwei Jahrhunderten zu behandeln, ist nur richtig, wenn am Anfang die Geburts- und am Ende die Sterbedaten zaehlen. Zeit und Ort ihres politischen Wirkens ergeben dagegen eine Konzentration auf Preussen bzw. Norddeutschland von der Revolution 1848/49 bis zum Ersten Weltkrieg. Auch der Konservative Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Geschichte der fruehen Bundesrepublik finden durch jeweils zwei Biographien Beachtung, waehrend Konservative aus der Weimarer Republik nicht separat behandelt werden.
Die meisten Aufsaetze erheben nicht den Anspruch, neue Forschungs-ergebnisse vorzulegen, sondern wollen die Lebensgeschichte der betrachteten Personen leichter zugaenglich machen. Damit leistet der Band tatsaechlich bei Personen wie etwa Gerlach, Radowitz, Wagener und anderen eine nuetzliche Funktion, da ueber ihr einflussreiches Leben nur Lexikonartikel oder umfangreiche Studien meist aelteren Datums vorliegen. Bei den Biographien der weniger bekannten Personen finden sich dagegen auch Untersuchungen, die neues Quellenmaterial betrachten und damit neue Details zutagefoerdern. Allerdings draengt sich bei einigen der Biographien die Frage auf, ob sich eine so genaue Betrachtung der Person lohnt. So laesst sich beispielsweise bezweifeln, ob eine Biographie ueber den zweiten Bundestags-praesidenten Hermann Ehlers, der nur die 5 Jahre vor seinem ploetzlichen Tod in der Politik eine Rolle spielte, wirklich zum Verstaendnis der fruehen Bundesrepublik beitraegt.
Die Biographien sind insgesamt kenntnisreich und solide, variieren jedoch deutlich in ihrer Einstellung zum Untersuchungsgegenstand. Waehrend manche Autoren durchaus kritisch und distanziert sind, weisen andere eine deutliche Naehe zu der betrachteten Person auf. Der Aufsatz von Klaus Motschmann ueber Adolf Stoecker geht in dieser Beziehung zu weit: sein Versuch, fuer Stoeckers Antisemitismus Verstaendnis zu wecken, indem er ihn als "konsequente Fortsetzung seines Kampfes gegen den Liberalismus und die Sozialdemokratie" erklaert (220 f.), auf Parallelen bei sozialistischen Denkern verweist (222 f.) und entschuldigend betont, dass Stoecker "diese Bewegung nicht in Gang gesetzt hat, sondern sich ihrer nur [!] in demagogischer Absicht bedient hat" (222), beinhaltet eine Relativ-ierung dieser gefaehrlichen Denkart, die auch durch Stoecker salonfaehig gemacht wurde; und auch sein oft wie Zustimmung klingendes Verstaendnis fuer Stoeckers Kampf gegen den welt-anschaulich neutralen, saekularisierten Staat fuer eine "innere Reichsgruendung" durch eine nationalistisch-religioese Erweckung laesst anti-pluralistische Gesellschaftsvorstellungen erkennen.
Doch dieser Aufsatz ist nicht typisch fuer das Buch, dessen konzentrierte Biographien von konservativen Politikern eine nuetz-liche Informationsquelle sind.
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Citation:
Thomas Rohkraemer. Review of Kraus, Hans-Christof; Hrsg., Konservative Politiker in Deutschland: Eine Auswahl biographischer PortrÖ¤ts aus zwei Jahrhunderten.
H-German, H-Net Reviews.
March, 1996.
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