Kult und Opferplätze in Deutschland. Eine virtuelle Reise von der Steinzeit bis zum Mittelalter. Konrad Theiss Verlag.
Published on H-Soz-u-Kult (January, 2000)
Unter der Leitung von Peter Ernst ist im Theiss-Verlag eine CD-ROM zu Kult- und Opferplaetzen in Deutschland erschienen. Grundsaetzlich ist zu sagen, dass der Begriff Kult- und Opferplaetze schwierig zu umreissen ist. Man assoziiert hiermit zunaechst einmal wohl nur Orte, an denen religioese und kultische Handlungen ausgeuebt worden sind, also alle Befunde, die mit der Geisteswelt der urgeschichtlichen Menschen in Verbindung zu bringen sind. Neben diesen eigentlichen Opferplaetzen fallen aber auch Bestattungsplaetze in den weiteren Kontext. So werden denn auch im Programm beide Befundarten gemeinsam unter dem Begriff Kultplaetze abgehandelt, eine staerkere Trennung waere hier wuenschenswert gewesen. <p> Als Betriebsvoraussetzungen wird Windows 3.11 angegeben. Die Hardware sollte mindestens mit einem 486er/60 MHz Prozessor und 8 MB Arbeitsspeicher sowie einem 4fachen CD-ROM-Laufwerk ausgestattet sein, des weiteren muss eine Soundblasterkarte vorhanden sein. Um allerdings das Programm optimal laufen zu lassen, sollten schnellere Komponenten eingebaut sein. <p> Das Programm ist auf allen Ebenen uebersichtlich gestaltet, und der Nutzer findet sich leicht durch das Programm und die Menues. So ist denn die angebotene Hilfe wenig umfangreich, mehr wird wohl aber auch nicht benoetigt. Auf dem Startbildschirm werden die Hauptbestandteile des Programms "Kultplaetze", "Geschichte" und "Museen" angeboten. Darueber hinaus kann hier im Menuepunkt "Sound" die untermalende Musik unter insgesamt 17 Stuecken ausgewaehlt werden; in den Informationen werden die Autoren vorgestellt. Die Autoren haben zum Thema gruendlich recherchiert und bieten dem Nutzer in der Regel die aktuelle Forschungsmeinung zu den einzelnen Fundstellen und uebergreifenden Fragestellungen. Ein recht umfangreiches Literaturverzeichnis mit den wichtigsten neueren Fachpublikationen ergaenzt die Texte und bietet einen guten vertiefenden Einstieg. In einem ausfuehrlichen Glossar werden zahlreiche Fachbegriffe erklaert. <p> Zur Einfuehrung in die Thematik empfiehlt sich der geschichtliche Ueberblick, der im Menue Geschichte angeboten wird. Dieser Teil ist in drei Bereiche gegliedert: die Zeitleiste, die Voelkerschaften und die Geisteswelten. Jeweils erfaehrt der Leser in unterschiedlich langen Texten, die von einigen Bildern begleitet werden das Wesentliche zum Thema, ohne dass die Autoren ins Detail gehen. Hier und da sind manche Unkorrektheiten zu verzeichnen (z. B. gab es in der Bandkeramik noch keine Erdwerke), die Texte vermitteln aber einen soliden Ueberblick und sind fluessig und gut lesbar geschrieben. Knappe Literaturhinweise am Ende ermoeglichen eine Vertiefung. Die Zeitepochen werden in Palaeolithikum, Mesolithikum, Neolithikum, Bronzezeit, Eisenzeit, Hallstattzeit, Latenezeit, Roemische Kaiserzeit und Voelkerwanderungszeit unterteilt, womit alle wichtigen Zeitabschnitte umrissen sind. Anders ist dies bei den "Voelkerschaften"; vorgestellt werden das Mesolithikum, die Bandkeramik, die Roessener Kultur; die Michelsberger Kultur, die Glockenbecher, die Kelten, die Germanen und die Slawen. Die Auswahl ist willkuerlich und nicht sehr gluecklich. Lediglich die drei letztgenannten Gruppen lassen sich noch mit historisch bekannten Ethnien in Verbindung bringen. So werden denn auch zu den Kelten, den Germanen und den Slawen wichtige aus den schriftlichen Quellen bekannte Ablaeufe dargestellt. Die uebrigen hier aufgefuehrten Voelkerschaften sind lediglich archaeologische Gruppen, die gewisse kulturelle Komponente gemeinsam haben und so als eine archaeologische Kulturgruppe angesehen werden, die aber auch ueber weite Teile Europas verbreitet waren. Voellig unklar ist indes, ob diese steinzeitlichen Gruppen sich auch als ein Volk verstanden haben. Die wenigen materiellen Gueter, die der Archaeologie zur Verfuegung stehen, reichen fuer eine solche weitreichende Schlussfolgerung nicht aus. So wird im Programm auch nur eine allgemeine Einfuehrung in die jeweilige archaeologische Kultur gegeben, wobei sich gerade diese Texte mit den entsprechenden Texten im Bereich "Geschichte" vielfach ueberschneiden. Abgesehen davon ist nicht verstaendlich, warum hier den steinzeitlichen Menschen (Mesolithiker bis Glockenbecher) ein so breiter Raum eingeraeumt wird im Gegensatz zu den uebrigen behandelten menschlichen Gemeinschaften. <p> Im Bereich Geisteswelten werden einerseits die Goetterwelten behandelt, sofern sie aus archaeologischen Funden erschlossen werden koennen bzw. durch die antiken Autoren ueberliefert sind. Dabei werden zwangslaeufig nicht alle Zeitepochen gleichmaessig abgedeckt. Neben den weiblichen Goetterfiguren wird ausfuehrlicher auf die keltischen roemischen und griechischen, germanischen und slawischen Goetter eingegangen. Von Bedeutung sind uebergreifende Themen wie das daseitlich differenzierte Totenbrauchtum, Hort- und Depotfunde (Opfergaben), besondere Steindenkmaeler, Kultbauten, Kult und Kunst. <p> Kernstueck des Programms ist die Darstellung der Kultplaetze selbst. Auf einer Karte wird Deutschland in neun Regionen untergliedert. Beim Anklicken einer Region oeffnet sich eine groessere Karte mit der Markierung der einzelnen behandelten Kult- und Opferplaetze. Beim Anklicken eines Ortes erscheinen ein Text zu dem Fundplatz sowie ein oder mehrere Bilder. In der Regel werden 10-15 Fundorte pro Region in Wort und Bild vorgestellt. Bei der Haelfte der Kultplaetze steht auch ein Video zur Verfuegung. Unter "Lage" oeffnen sich eine Strassenkarte aus der betreffenden Region und eine Zugangsbeschreibung. Dies fuehrt den Nutzer aber in der Regel nur bis in die betreffende Ortschaft. Da gerade die Kultplaetze als Denkmaeler ausserhalb der heute bebauten Ortschaften liegen, duerfte es schwerfallen, sie mit Hilfe der Beschreibungen wirklich aufzufinden. <p> Einige Literaturhinweise am Ende des Textes ermoeglichen dem Nutzer wiederum einen vertiefenden Einstieg. Anzumerken ist, dass nur sehr wenige reine und durch die archaeologischen Untersuchungen gesicherte Kultplaetze vorgestellt werden. Sehr haeufig sind auch unterschiedliche Bestattungsplaetze mit aufgefuehrt, die nur bedingt mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Unklar ist, warum zahlreiche Orte mitgenannt und vorgestellt werden, die keinerlei oder hoechst fragwuerdige Funde und Befunde im kultischen Zusammenhang erbracht haben (Alte Taufe; Grauer Altar, Pfahlbauten am Bodensee, Porta Nigra in Trier, u.a.m.). Es wird zwar in der Regel erwaehnt, dass es sich um unsichere oder gar keine Kultplaetze handelt, man fragt sich aber, warum sie dann in die Liste mit aufgenommen wurden. Andere, gut durch archaeologische Befunde und Funde bekannte kultische Denkmaeler, etwa etliche der sogenannten keltischen Viereckschanzen, werden zwar im Menuepunkt Geschichte und im Glossar erwaehnt, aber es finden sich hier keine der noch gut im Gelaende sichtbaren Anlagen in Baden-Wuerttemberg oder Bayern. Das gleiche gilt fuer weitere bekannte Kultstaetten wie das Thorsberger Moor oder auch verschiedene fruehe Kirchenbefunde. <p> Die in zahlreichen Faellen einzuspielenden Videos sind unter dem Gesichtspunkt der Computeranimation wenig ansprechend. In der Regel handelt es sich nur um einfache Kameraschwenke ueber die Denkmaeler oder gezoomte Standbilder. Das Video ueber die Sonnenwendfeier an den Externsteinen gehoert ausserdem in den Bereich der Esoterik und sollte in einem fuer Archaeologen und Hobbyarchaeologen bestimmten Programm nicht vorkommen. <p> Die Auswahl der im Menuepunkt "Museen und Exkursionen" angebotenen Informationen ist nicht vollstaendig. Dies betrifft einerseits die Liste der Museen selbst und andererseits die zugehoerigen Informationen. Die 22 angebotenen Museen sind nicht gleichmaessig ueber Deutschland verteilt, ein Auswahlkriterium ist nicht erkennbar. Die Autoren wissen um die Unvollstaendigkeit und hoffen, in einer weiteren Edition die Liste zu komplettieren. Unguenstig ist, dass die elementaren Informationen bzgl. Adresse und Oeffnungszeiten unterschiedlich vollstaendig sind und verschieden im Text plaziert sind (gar nicht oder am Beginn oder Ende). Hier wuenscht man sich Einheitlichkeit. Die Museenauswahl reicht von grossen Landesmuseen etwa in Stuttgart bis zu kleineren Freilichtmuseen, die eventuell auch einen thematischen Schwerpunkt haben. Zusaetzlich werden noch drei Anbieter von archaeologischen Reisen/Exkursionen genannt. Da einer der Anbieter Mitautor des Programmes ist, kommt dies einer Werbung gleich. Zudem ist die Liste in keiner Weise vollstaendig. Gleiches gilt fuer die Internetadressen mit archaeologierelevanten Homepages. Die genannte Seite (www.archaeologie.de) ist eher fuer klassische Archaeologen von Interesse, weniger fuer das hier zur Rede stehende ur- und fruehgeschichtliche Thema der Kult- und Opferplaetze in Deutschland. Ueber die Internetseite des Instituts fuer Ur- und Fruehgeschichte der Universitaet Freiburg erhaelt man mehr und speziellere Informationen, bzw. sind hier die Links zu weiteren relevanten Internetadressen vorhanden. <p> Insgesamt ist zu sagen, dass das Programm mit seinen Textinformationen zu den Ueberblicksthemen und den einzelnen Fundorten solide Informationen bietet, die aber auch in Buchform (preiswerter) haetten erscheinen koennen. Die heute vorhandenen Moeglichkeiten einer CD-ROM werden mit dieser "virtuellen Reise von der Steinzeit bis zum Mittelalter" nicht ausgeschoepft. Als unangenehm empfindet die Rezensentin ausserdem, dass der Autor P. Ernst grundsaetzlich am linken Bildschirmrand steht und sozusagen selbst das Programm betrachtet sowie sein auffaellig haeufiges Erscheinen in den Videos. Hier wie bei den oben schon erwaehnten Reisen sowie auch im Bereich Sound wird mit dem Mittel der Werbung gearbeitet, ein sehr stoerender Aspekt.
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